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Tag 17: Swilengrad - Kesan (Türkei)

Die Moschee von Edirne
Die Moschee von Edirne

Yes! Ich hab es bis in die Türkei geschafft! Irgendwie unglaublich, wie weit ich gekommen, aber irgendwie fühlt es sich gerade nicht nach Sieg an. (140km)

Heute kann man einige schlaue Sätze sagen, die gut zutreffen:

- Deutsche Planung trifft auf das Osmanische Reich

- Türkei und Stivi werden heute keine Freunde mehr.

- Himmel und Hölle liegen oft nah beieinander.


Diese Sätze treffen sehr gut meinem Gemütszustand. Gerade hab ich lecker Dürüm gegessen. Vielleicht werden wir langsam doch noch Freunde! Also ich und die Türkei.

Heute Morgen bin ich wie gerädert aus dem Bett aufgestanden. Ich glaub so schlecht, hab ich auf der ganzen Tour noch nicht , geschlafen. Keine Ahnung was los war. Also aus dem Bett gequält. Das Wetter angeschaut und am liebsten wollte, ich mich einfach wieder hinlegen. In der Nacht hat es geregnet und es sah nicht so aus, als ob sich daran heute den Tag über etwas ändern sollte. Und genau so war es. Gerade regnet es wieder und ich bin bloß froh, dass ich nicht zelten muss.

Nach einem 0815 Frühstück ging's los noch schnell die letzten Lewa verkaufen (Bulgarisches Geld heißt Lewa) und irgendwie hats da schon begonnen. Ich bin wirklich 3 mal an dem Laden vorbeigefahren, bis ich ihn gefunden hab. Ich war irgendwie auf Supermarkt eingestellt und es war ein kleiner Tante Emma laden. Nachdem ich so das wichtigste gekauft hatte und gehofft hab dass es nicht mehr als 12 € kostet, sagt die Dame zu mir 4€ :), also nochmal Süßigkeiten gekauft, bis alles Geld weg war. Grundnahrungsmittel sind in Bulgarien, Rumänien oder Türkei für uns Deutsche super günstig.

Draußen hat mich dann ein Bulgare angesprochen und wir haben uns kurz unterhalten. Er ist auch Fahrradfahrer und hat mir einen Tip zum übernachten in der Türkei gegeben. In Uzunköprü, wollte ich aber noch nicht aufhören zu fahren. Es war mal wieder nett mit jemanden zu reden. Passiert hier leider immer weniger, was einfach an der Sprachbarriere liegt.

Dann ging's also bepackt in Richtung Grenze. 14km wollten noch auf einer uralten Straße hinter mich gebracht werden. Diese 14km haben sich sowas von gar nicht gut angefühlt. Ich hatte Buttermilch in den Beinen. Nichts ging. Eine totale Quälerei, aber wir wollen ja nicht gleich die Flinte ins Korn schmeißen.

An der Grenze dann eine ewige Schlange und es hat echt gedauert bis ich drüber war. Einmal musste ich durch ne Desinfektionsdusche für Autos fahren. Ist schon lustig , wenn da steht, bitte Fenster und Türen schließen und die Lüftung ausmachen. Als Fahrradfahrer irgendwie bissl schwierig. Also Luft anhalten und schnell durch. Am Ende hat mich dann echt noch der türkische Zoll gefilzt und meine Taschen auf Drogen untersucht. Vermutlich nur weil mich einer durchgewunken hat und der Kollege 10m weiter es nicht mitbekommen hat. Deutsche Planung trifft Osmanisches Reich ;).

Als ich endlich durch war, hab ich mir erst mal türkische Lira und eine türkische SIM Karte organisiert. Leider gab es mit der SIM Anmeldung irgendein Problem mit meinem Ausweis, scheinbar kann das System nur Reisepässe und ich hab nur den Perso dabei. (Reisepass hab ich vergessen und ist mir erst in Budapest aufgefallen) Nach ewigen hin und her, viel Blabla und meinen ersten türkischen Cay-Tee, hat es dann geklappt. Ich glaub die haben einfach Daten von Jemand anderen genommen. 

Als ich fertig war, war's dann auch schon 11 Uhr. Normalerweise will ich um 14 Uhr um die 100km weit sein, damit ich vor Sonnenuntergang eine Bleibe hab. Ich war erst bei 14km bei 20kmh im Schnitt wird dass ein bisschen eng.

Also ab aufs Rad und mit meinen schweren Beinen die ersten Kilometer in der Türkei gestrampelt. Schön an der Autobahn entlang. Es gibt hier einen Standstreifen, sozusagen nur für mich alleine. Das ist schon mega gut. 

Bis nach Edirne war alles super. Meine Stimmung wurde besser, weil ja alles für heute erledigt war und ich nur noch fahren musste. Neugierig auf die Veränderungen die so kommen, stieg die Stimmung.

Was stellt man super schnell hier fest. Man wird am Grenzübergang direkt mit einer riesen Moschee begrüßt. Keine Ahnung ob das Sinn macht. Irgendwo im Nirgendwo. Vermutlich geht's da eher um Prestige. Danach kommt eine Moschee größer als die andere. Fast jedes Dorf hat eine.

Außerdem hängen überall türkische Fahnen. Jeder scheiß Holzschuppen in der Wildnis hat hier ne Türkei Flagge. Also man sieht schon die Türken sind absolute Patrioten. Manchmal hängt sogar am Dorfeingang irgendein Bild, vermutlich Atatürk. Zumindest Erdogan ist es nicht.

In Edirne bin ich direkt an einem türkischen Markt vorbei gekommen. So wie man es sich vorstellt. Nicht so krass wie in Istanbul aber dort glaub ich kann man alles bekommen. Außerdem herrschte drum herum absolutes Verkehrschaos und ich hab mich mal auf türkischen Fahrstil umgestellt, was so viel bedeutet: "Fahr zua" egal was im Weg ist, drängeln, schauen irgendwie vorbei zu kommen. Alles ist erlaubt. Und komischerweise funktioniert es wirklich sehr gut.

Nach Edirne, ging's dann nicht mehr über die Autobahn. Sondern laut Navi über eine Straße weiter entlang der Grenze gen Süden. 

Deutsche Planung trifft auf das Osmanische Reich. Was in meinem Navi als Straße ausgeschrieben ist und in allen Ländern funktioniert hat, war hier absoluter Feldweg und manchmal Schotterweg, den man nicht fahren konnte. Zum kotzen. Einfach nur zum kotzen. Ich dachte mir das ist bestimmt nur ein Stück, so falsch kann das doch nicht sein. Es kommen ja auch Dörfer auf der Strecke, da wird es sicher gleich wieder besser. Zusätzlich bin ich wieder mal im militärischen Sperrgebiet unterwegs gewesen, hab Soldaten beim Wache schieben gesehen und die Bauern haben ihre Felder angezündet. Es hatte echt die Stimmung wie wenn Krieg wäre. Überall Rauch, und Feuer, dann Soldaten, Sperrgebiet und dazu noch ein wolkenvehangener Himmel und ich mitten drin auf nem Feldweg an meinem ersten Tag in der Türkei. Glückwunsch Herr Neumüller, dass haben sie sehr gut hinbekommen. Aber damit wir dem Fass noch den Boden ausschlagen, hatte auf einmal mein vorderer Reifen nicht mehr genug Luft und ich dachte mir, Nein Nein Nein das darf jetzt echt nicht war sein. Bitte kein Platten. Also kurz mal abgestiegen, reifen gecheckt und Luft nachgepumpt. Kein Problem zu entdecken. Also probieren und hoffen, dass der Reifen einfach so Luft verloren hat und jetzt hält. Wir werden es morgen sehen.

Als ich dann in die Dörfer kam, dachte ich mir so ne scheise, auch durch die Dörfer führt der Schotterweg und es gibt wieder viel viel mehr Hunde als in Bulgarien. Nur die wilden Hunde hier, verfolgen einen kaum, meistens nur die Hofhunde.

Also was tun. Handy raus, zum Glück mit jetzt türkischen Netz, und den Weg zur nächsten Straße gesucht. Über Stock und Stein, bin ich dann endlich auf der Straße gewesen. Ich muss sagen da hat Serbien und Rumänien eindeutig bessere Straßen. Das war ne Landstraße, die beieinander war sag ich euch. 

Nach 6km auf der Straße bin ich dann auch noch falsch abgebogen und stand 4km später wieder in der Pampa auf Schotterweg und nichts weit und breit außer ein Dorf in dem man nicht leben will. Gott hab ich geflucht und mir gedacht, was ist denn das für eine Scheiße hier. Ich will hier Kilometer machen und eiere hier im Nirgendwo rum. Zur Beruhigung hab ich dann erst mal ne Tafel Schokolade,ne Packung Gummibärchen und ein Twix gegessen. Hab mir wieder mein Handy genommen nochmal genau geschaut, mich wieder über Stock und Stein zu der scheiß Straße gekämpft und dann hab ich mir geschworen, ab jetzt schauen wir etwas genauer hin bei jeder Abzweigung.

So gings dann auf einer echt beschissenen Landstraße gen Süden und ich hatte um 13 Uhr ganze 50km geschafft. Ich bin der Landstraße bis nach Uzunköprü gefolgt und war nur froh als ich da war. Es ging rauf und runter. Total die fiesen Anstiege einer nach dem anderem. Kaum mal in der Ebene fahren. Es geht hier entweder rauf oder runter. 

Ab Uzunköprü hab ich dann entschieden ich nutze die Autobahn ansonsten wird das hier nichts. Die Straßen nehmen jeden Berg mit den es gefühlt in der Türkei gibt. Leider ist es bei der Autobahn nicht anders, musste ich später feststellen.

Da mein Navi eigentlich vermeidet Autobahnen zu nutzen und ich auf Nebenstraßen geplant hab, durch die Türkei zu kommen, hab ich auch kurzerhand mein Ziel für heute und den Weg verändert. Deutscher Plan trifft türkische Realität.

Das schlimmste war ich hatte heute Rückenwind und konnte ihn nur die letzten 3-4 Std. nutzen, weil ich vorher so nen scheiß zam gefahren bin. Einfach nur ärgerlich. Am Ende bin ich in Kesan gelandet. Wollte mir dort eine Pension nehmen und hab dabei festgestellt, dass es ein Coworking Space war. Google hat also nicht immer recht. Also hab ich entschieden ich frag direkt im Hotel neben dran, was die Nacht kostet. Und jetzt schlaf ich im schönsten Hotel der Tour für 18€ mit Frühstück. Manchmal liegen Himmel und Hölle nah zusammen. Am Ende hat es sich gefunden. Ich hätte heute nur echt weiter kommen können. Vielleicht ist das aber nur Einbildung, weil heute hatte ich Buttermilch in den Beinen. Am Ende hab ich mir jetzt leckere 2 Dürüm geholt und jetzt schaut die Welt langsam wieder besser aus. Jetzt werde ich meine Route komplett umplanen und hoffe ich bekomme nicht so viele Kilometer dazu. Straßen in der Türkei haben scheinbar ne andere Definition als in Europa.

Langsam freu ich mich und bin stolz es so weit geschafft zu haben. Morgen geht's dann mit der Fähre nach Canakkale auf die asiatische Seite. ;)


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